Minka, eine junge Hauskatze war aus dem Fenster gesprungen und wurde dem Tierarzt mit erheblichen Bewegungsstörungen vorgestellt. Das Tier ließ sich jedoch nicht röntgen und wurde sediert. Auf der dv-Aufnahme zeigte sich eine distale Epiphysenfugenlösung der Tibia mit Fibulafraktur.
Zur Osteosynthese in die Klinik überwiesen, wurde die Katze etwa zwei Stunden später untersucht. Bei der Vorbereitung für die Operation fielen die reduzierte Tiefensensibilität auf beiden Seiten und die große Blase auf. Daraufhin wurde Minka noch einmal eingehend neurologisch untersucht. Es ergaben sich mehrere Kriterien für einen Ausfall des oberen motorischen Neuronen- Segmentes. Daraufhin wurde die Wirbelsäule geröngt:
Auf der Aufnahme sehen Sie eine Trümmerfraktur der dorsalen und mittleren Etage des 5. LW. Bei der Palpation des Abschnittes ergab sich eine extreme Instabilität. Die dramatisch aussehende Fraktur des Tarsus stellte sich als das für das Tier im Vergleich zur Wirbelsäulenverletzung viel kleinere Problem heraus. Der Besitzer lehnte die operative Versorgung der Wirbelfraktur ab. In der Sektion ergab sich eine schwere Rückenmarksquetschung mit Abtrennung der linken Hälfte der Nervenbahnen. Minka wäre demnach auch bei optimaler orthopädischer Versorgung nicht mehr in der Lage gewesen die Gliedmaße zu benutzen.
Die Epiphyseolysis kann durch schnelle Versorgung mit Hilfe von Kirschnerdrähten und einer Cerclage, die ein Abkippen der Fragmente nach dorsal verhindert, mit gutem Ergebnis versorgt werden. Voraussetzung ist die schnelle Versorgung, denn schon innerhalb weniger Stunden steigt die Chondroclasten-Aktivität erheblich. Erfolgt die Reparatur erst nach Tagen, heilt die Fraktur zwar, die Epiphysenfuge ossifiziert jedoch. Die Gliedmaße des ausgewachsenen Tieres ist kürzer als die nicht frakturierte Seite.
Ein anderes Beispiel für eine schon präoperativ entschiedene Prognose ist Prinz, ein Weimaraner, der einen Autounfall hatte. Bei ihm lag eine offene Femurfraktur mit erheblicher Weichteilschwellung vor. Die zahlreichen Fragmente krepitierten bei der Palpation in der Masse aus Weichteilen und Blut. Die sofortige Einweisung in die Klinik erfolgte unter antibiotischem Schutz und mit einem gut gepolsterten und straffen Robert- Jones-Verbandes, der gut am Stamm befestigt war. So konnte verhindert werden, dass Knochenfragmente auf dem Transport zerbrachen oder gar die Haut durchstoßen hätten.
Prinz belastete die Gliedmaße nach vier Tagen, die Heilung verlief ungestört.
Nicht nur diese Fälle zeigen: Die Prognose entscheidet sich schon vor der Operation!
© Dr. Staudacher, AniCura Aachen