Für mich als Augentierärztin sind die Augen eines Tieres das schönste und faszinierendste Organ zugleich. Ein Blick durch die transparente Hornhaut offenbart ein bis ins kleinste Detail ausgeklügeltes Zusammenspiel aus Lichtbrechung, Reflexion und bei unseren Haustieren meist auch wunderschönen Farbenspiel.
Doch was bringt die Augen unserer Katzen und Hunde so zum Leuchten?
Tapetum lucidum
Wenn Sie Ihre Haustiere mit Blitz fotografieren, kennen Sie bestimmt alle dieses geheimnisvolle grün-gelbe Leuchten in der Pupille. Um Ihnen dies zu erklären, muss ich ein paar Sätze zur Anatomie des Auges verlieren. Letztlich besteht der Augapfel aus verschiedenen Schichten (Häuten), die übereinander gelegt eine stabile Umgebung für das Auginnere liefern. Ganz außen mit den Lidern angefangen, umgibt die dünne rosarote Bindehaut die feste weiße Lederhaut, die sich zentral nach vorne transparent als Hornhaut fortsetzt. Mit bloßem Auge nicht mehr sichtbar, liegt unterhalb der Lederhaut die Aderhaut, welche die Blutversorgung für viele Bestandteile des Auges liefert. Unter der Aderhaut im Inneren des Auges liegt die Netzhaut, die mit ihren Nervenzellen eine wichtige Funktion zum Sehvorgang liefert. In der Aderhaut kann bei einigen Tieren ein sogenanntes Tapetum lucidum (lateinisch für leuchtender Teppich) enthalten sein. Diese Schicht enthält verschiedene Kristalle (Zink), Salze und Farbpigmente und reflektiert in einem Farbspektrum, welches von grün über gelb bis zu violett reichen kann. Menschen und Kaninchen beispielsweise besitzen kein Tapetum lucidum. Hier reflektiert nur die Aderhaut mit ihren vielen Blutgefäßen und führt manchmal zu den ungeliebten „roten Augen“ auf Fotos.
Nicht immer leuchtet ein Tapetum
so intensiv wie auf diesem Foto.
Australian Shepherd ohne Tapetum Direkter Blick auf das Tapetum
lucidum. Man sieht den roten Reflex lucidum eines Hundeauges.
der Aderhaut. Mittig befindet sich der blassrosa
farbene Sehnerv mit der links
hauchdünn abgelösten Netzhaut.
Die Aufgabe des Tapetum lucidum
Letztlich fungiert das Tapetum lucidum als Restlichtverstärker, wie wir es in Nachtsichtkameras kennen. Ein Grund weshalb Ihr Hund in der Dämmerung auch die kleinste Bewegung registrieren kann, wo für uns Menschen nur dunkles Nichts herrscht. Somit sehen unsere Hunde und Katzen- wie häufig vermutet- nicht schlechter, sondern anders und besser an ihre Bedürfnisse angepasst. Wir wollen Zeitung lesen, Hunde und Katzen in Dämmerung jagen.
Doch keine Sorge, wenn Ihr Tier kein verräterisches Funkeln in den Augen hat. So individuell unsere Plüschnasen sind, so sind es auch die Augen. Die Augen eines blauäugigen Huskys werden selten grün-gelb leuchten. Hier kann das Tapetum lucidum auch mal fehlen und dennoch ist mit völlig normalem Sehvermögen zu rechnen.
Manchmal kann eine vom Besitzer beobachtete veränderte Reflektivität Anzeichen für eine Augenerkrankung darstellen. Letztlich kann nur eine Augenuntersuchung Klarheit verschaffen.
Wenn Sie also das nächste Mal hinter zwei grünen Schlitzen im Busch eine Begegnung der dritten Art vermuten, ist es vielleicht doch nur der Nachbarskater auf Mäusefang!
Bild 1: Normaler Sehnervkopf, Bild 2: Normale Ansicht eines
Netzhautgefäße und Tapetum Sehnervenkopfes, Tapetum
lucidum eines Hundes bei einer lucidums und Netzhautgefäße
routinemäßigen einer Katze bei einer routine-
Augenuntersuchung mäßigen Augenuntersuchung.
In Bereichen, wo die Netzhaut
nicht pigmentiert ist, schimmert
das Tapetum durch, ansonsten
dunkel wie im unteren
Bildabschnitt.
Bild 3: Auch das ist eine normale Bild 4: Ein bisschen unscharfer
Ansicht eines Augenhintergrunds Augenhintergrund eines zappligen
einer Katze. Den Farbvarianten Hundewelpens. Das Tapetum ist
sind keine Grenzen gesetzt. bei Welpen immer violett-blau
gefärbt und entwickelt seine
endgültige Farbe erst nach einigen
Lebensmonaten.
© Teresa Keiditsch, Tierärztin, AniCura Tierärztliche Spezialisten Hamburg