Tierarzt Markus Geier ist Oberarzt in der AniCura Tierärztlichen Klinik Neu-Ulm, ab Januar 2018 wird er dort die Aufgabe von Herrn Dr. Neuhofer als Klinikleiter übernehmen. In unserem Interview schildert er seine Sichtweise zum schwindenden Männeranteil in der Tiermedizin und verrät uns mehr über seine Vorliebe für Katzen.
Der Anteil von Männern in der Tiermedizin ist eher gering, warum haben Sie sich, als einer der wenigen, für das Studium der Tiermedizin entschieden?
Oh, eigentlich wollte ich schon Tierarzt werden, da war ich gerade erst 6 Jahre alt. Wir wohnten etwas außerhalb von Passau, wo links und rechts Felder und vor uns ein Wald lag. Rehe, Füchse, Mäuse und Fasane waren da der Alltag und so faszinierten Tiere mich schon immer. Zoo und Zirkusbesuche waren Highlights, und am liebsten war mir der Ententeich bei meiner Oma mit einer Mandarinente darauf. Ein eigenes Haustier war dann natürlich auch von Nöten, und die Wahl fiel auf Katzen – wie ich finde die schönste Tierart die es gibt.
Und dann wurde im Gymnasium alles daran gesetzt dieses Ziel zu erreichen. Biologie, Chemie, Latein – immer mit dem Hintergedanken was ich für das Studium brauchen könnte. Leistungskurs Biologie war natürlich Pflicht.
Und an diesem Ziel hielt ich konsequent fest, bis ich dann nach dem Abitur und Wehrersatzdienst einen Platz an der Ludwig-Maximilian Universität München bekam. Bis heute habe ich diesen Weg nicht bereut. Es ist meine Berufung, für Tiere da zu sein und Ihnen zu helfen- Katzen natürlich besonders.
Warum entscheiden sich Ihrer Meinung nach so wenige Männer für diesen Beruf?
Generell ist es eher ein emotionaler Beruf, man will anderen Lebewesen helfen, sich um sie kümmern und sein Wissen und Können einsetzen um ihnen das Leben zu verbessern, wenn sie in Schwierigkeiten sind. Persönliches Engagement ist da sehr wichtig, persönliche Opfer oft von Nöten. Männer suchen sich da oft eher rationalere, mechanischere Berufe.
Zudem sind meist die Schulnoten bei männlichen Abiturienten nicht so gut, was die Hürde „Numerus clausus“ zum Hindernis macht, sodass sie schwerer einen Studienplatz bekommen. Tatsächlich fehlen uns männliche Kollegen, v.a. im Großtierbereich, aber auch bei uns im Kleintierbereich.
Was macht den Beruf für Sie spannend?
Der Umgang mit Lebewesen, deren Sprache wir nicht verstehen. Das Hineinfühlen in sein Wesen, das Herausfinden des Problems aber auch das Lösen des selbigen. Zu sehen wie Tiere nach einer Operation einer Fraktur z.B. wieder laufen können, und der Tierbesitzer sich freut „wie ein Schnitzel“ wenn er es wieder hat. Ein junger, 6 Monate alter Boxer mit zwei gebrochenen Hinterbeinen, der nach gelungener Operation dem Tierbesitzer entgegen läuft, das sind Momente, die einfach unbeschreiblich sind.
Sie haben sich auf die Bereiche Vögel und Chirurgie in der Tiermedizin spezialisiert, warum?
Nun, Chirurgie macht Spaß, es ist wie ein Handwerk und mit jeder Operation wird man besser und steigert sein Können. Das Zusammensetzen von Knochen ist zum Teil wie eine Bastelstunde. Deswegen habe ich auch eine Ausbildung zum certSAS (europäisches Chirurgiezertifikat) durchgeführt, und gehe regelmäßig auf Fortbildungen dazu.
Und Vögel, naja wie ich bereits sagte, ich war als Kind besonders begeistert von Enten, Pfauen und Federvieh generell, da war für mich nur richtig, auch über Sie mehr zu wissen. Und so eignete ich mir auch hier Wissen an, indem ich eine Zeit in der Vogelklinik verbrachte. Ich würde mich nicht als Spezialisten bezeichnen, aber auch hier arbeite ich daran, dieser sehr speziellen Tiergruppe helfen zu können.
Gibt es ein Erlebnis, das Ihnen in Ihrer Arbeit als Tierarzt besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ein Jagdterrier zum Beispiel, der eine massive Verletzung am Unterkiefer hatte. Die komplette Haut war durch multiple Bisse eines Dachses infiziert und nekrotisch, das rohe Fleisch und der blanke Knochen waren sichtbar. Der Tierbesitzer gab dem Hund keine Chance und wollte eine Euthanasie, wir aber übernahmen ihn und machten alle Operationen und Behandlungen auf unsere Kosten. Wenn man die Wunden betrachtet hat, war das kein sehr schöner Anblick. Aber der Hund hat alles mitgemacht, war zutraulich und dankbar, und es ist alles super verheilt. Er hat einen immer schwanzwedelnd begrüßt, wenn er einen Helferin oder Tierarzt/Tierärztin sah. Der kleine Kerl freut sich heute noch seines Lebens und ist munter.
Oder auch ein Kater, dem der Tierbesitzer aus Versehen über den Kopf gefahren ist, kam zu uns mit multiplen Frakturen des Ober-und Unterschädels. Auch hier wurde viel operiert, eine Speiseröhrensonde zur Ernährung gelegt und viel Zeit, Energie und Geduld investiert, um diesem Tier zu helfen. Er musste lang gefüttert werden, brauchte Medikamente, hat ein Auge verloren und war lange bei uns auf Station. Dann ging er nach Hause, die Tierbesitzer fütterten ihn weiter, pflegten ihn, gaben nicht auf, er wollte nur nicht selbst fressen. Und dann an einem Grillabend wollte er ein Stück Fleisch haben. Von da an ging es aufwärts und der Kater ist bis heute ein properer Kerl, mit einem etwas schiefen, einäugigen Gesicht.
Die Heilkräfte der Natur sind oft nicht zu unterschätzen, und gerade solche Fälle zeigen, dass mit Geduld und Hingabe, aber auch unserer Hilfe und Medizin vieles erreicht werden kann. Man darf nur nicht aufgeben.
Haben Sie noch weitere Funktionen (neben der Arbeit als Tierarzt) in der Tierklinik?
Ich kümmere mich um das Personalwesen, den Dienstplan und den Zusammenhalt des Teams, wozu ich Mitarbeitergespräche und Teambesprechungen abhalte. Als Oberarzt der Klinik, v.a. in chirurgischen und bildgebenden Fragen, stehe ich immer als Quelle für Antworten für meine jüngeren Kollegen zur Verfügung. Und als Stellvertreter von Herrn Dr. Neuhofer bin ich in Urlaubszeiten auch für den generellen Ablauf zuständig. Geplant ist, dass ich ab 2018 sogar Herrn Dr. Neuhofer als Klinikmanager ablöse, wenn er in seinen wohlverdienten Ruhestand geht. Ich hoffe dieser großen Aufgabe gerecht zu werden.
Um für kranke und verletzte Tiere 24/7 da zu sein gibt es in einer Tierklinik wie Neu-Ulm Nacht und Wochenenddienste, was machen Sie in Ihrer Freizeit um wieder Aufzutanken?
Natürlich habe ich auch eigene Haustiere. 2 Katzen – Lily und Lucy – die jeden Tag verschönern. Ok, Sie wecken einen auch um 6 Uhr morgens egal ob Wochen- oder Feiertag, und treiben auch manchen Unsinn, aber niemals möchte ich dies missen. Ohne diese beiden Schätze könnte ich es mir nicht vorstellen. Katzen geben einem so viel zurück mit ihrem Schnurren, ihren großen Augen, ihrem samtenen Fell – hab ich gesagt dass ich Katzen mag?
Und dann ist da noch meine Leidenschaft zu Gesellschaftsspielen. Ich nenne ca. 170 Brett-, Karten und Würfelspiele mein eigen, bin Vorstand in einem Brett-und Rollenspielverein in Ulm, treffe mich regelmäßig zu ausgedehnten Spielenachmittagen und Abenden, und nehme auch da gern mal meine Kollegen mit. Das sind dann keine Klassiker wie Rommé oder Schach, sondern ausgefallene Spiele mit den unterschiedlichsten Settings. Ägypten, Dinosaurier, Fantasy, Mittelalter, Scifi, Star-Trek… Da kann man gut abschalten, sich in eine andere Welt bringen und mit anderen eine schöne Zeit verbringen.
Was hat sich für Sie und Ihr Team geändert seit die Klinik zu AniCura gehört?
Durch AniCura haben wir die Möglichkeit bekommen, mit anderen Kliniken besser in Kontakt zu treten und uns kennen zu lernen. Das Socializing, also der interkulturelle Austausch mit Kollegen eröffnet ganz neue Optionen, halte ich für den größten Vorteil. Man lernt sich kennen, kann Erfahrungen austauschen und Kontakte pflegen. Bei Fragen sind alle bereit einem mit guten Ratschlägen zu helfen. Natürlich kommt dann noch dazu, dass AniCura versucht, einen hohen Standard an die Kliniken zu bringen und mit QualiCura-Umfragen (QualiCura ist das Qulitätsprogramm von AniCura) diesen auch zu verifizieren. Ob Hygiene- oder Chirurgieumfrage, es wird dadurch ein Standard angestrebt, der am Schluss dem Tierbesitzer und dem Tier zugutekommt.
Ich selbst konnte am Acceloratorprogamm teilnehmen und konnte dort viel über Leadership, Teamwork und Feedback lernen. Dies soll mir bei meiner Arbeit v. a. ab 2018 helfen, wenn ich Herrn Dr. Neuhofer als Geschäftsführer ablösen soll.
Teil dieses Programms war es dann auch, mit Kollegen aus anderen Kliniken an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Ich arbeitete zusammen mit Josefine Öberg (aus Schweden), Anna Lindberg (aus Schweden), Erik Wouters (aus den Niederlanden) und Marie Lindstrand (aus Schweden) unter der Leitung von Peter Thomsen (aus Dänemark). Was wir in Skype-Meetings gelacht haben!! Ich bin gespannt, ob unser Vorschlag am Ende umgesetzt wird.
Statement zu AniCura?
AniCura ist eine höchst interessante und lohnenswerte Sache, die es Tierärzten erlaubt, Führungspositionen zu übernehmen, ohne viel Kapital einbringen zu müssen. Hätte ich mir die Klinik leisten können, wenn Herr Dr. Neuhofer sie mir angeboten hätte? Ich behaupte nein. Unter AniCura dagegen habe ich die Möglichkeit bekommen, dies doch zu tun.
Außerdem ist eine Zusammenarbeit mit anderen Kliniken aus verschiedenen Ländern, mit Werten, Zielen und Vorstellungen, auf jeden Fall eine super Sache. Die Vernetzung der Kliniken untereinander, der interkulturelle Austausch zwischen den verschiedenen Ländern ermöglicht viele Optionen und Chancen. Dadurch können wir die Tiermedizin verbessern, und dem Tierbesitzer das best mögliche anbieten – „Together“ wie es so schön bei AniCura heißt.
© Markus Geier, Tierarzt, AniCura Kleintierzentrum Neu-Ulm