Allgemeine Beschreibung
Die Zähne von Kaninchen und Meerschweinchen wachsen lebenslang, bei Kaninchen um etwa 2 - 3,5 mm pro Woche, wobei die Schneidezähne schneller wachsen als die Backenzähne. Dies ist sinnvoll, da in der freien Wildbahn oft nur sehr hartes, nährstoffarmes Futter zur Verfügung steht, welches gut zerkleinert werden muss. Leider wachsen die Zähne auch weiter, wenn sie nicht genügend abgenutzt werden, was schnell zu Problemen führen kann.
Ursachen
Grundsätzlich ist kein Futter hart genug, um einen Kaninchenzahn ernsthaft abzunutzen. Die Abreibung geschieht fast ausschließlich durch den gegenüber liegenden Zahn, während das Futter zwischen diesen „Mühlsteinen“ zerrieben und zerkleinert wird. Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass die Zähne gut aufeinander reiben und das Kaninchen eine ausreichende Zeit damit verbringt, zu kauen und damit die Zähne abzunutzen. Durch zu
nährstoffreiches Futter, bei dem die Tiere nur geringe Mengen aufnehmen müssen, um satt zu werden, ist dies nicht gegeben.
Ein Beispiel: Frisst ein Kaninchen Körnerfutter, so ist es schon nach sehr kurzer Zeit satt, weil es genügend Kalorien aufgenommen hat. Die Zähne werden nicht ausreichend abgerieben. Muss es hartes Heu fressen, so kaut es mehrere Stunden, um satt zu werden. Das ist gut für die Zähne. Auch Magen und Darm von Kaninchen und Meerschweinchen sind von Natur aus für große Mengen nährstoffarmer Kost ausgelegt, leicht verdauliche Kohlehydrate und Zucker können die Verdauung empfindlich stören und zu Blähungen, Durchfall und Übergewicht führen. Leider werden viele Meerschweinchen und Kaninchen mit zu nährstoffreichem Futter wie Körnern, Pellets und trockenem Brot versorgt, das angebotene Heu bleibt dann größtenteils liegen. Getreidehaltige Futtersorten, Körner und nährstoffreiche Pellets sowie süßes Obst sollten also, wenn überhaupt, nur in sehr geringen Mengen angeboten werden. Ein gesundes Kaninchen oder Meerschweinchen ist problemlos mit Heu und Frischfutter wie Gras, Löwenzahn und Gemüse zu ernähren, es braucht kein Körner- oder Pelletfutter. Leider sind viele Tiere sehr an solches Futter gewöhnt und müssen dann ganz langsam und vorsichtig wieder daran gewöhnt werden, sich von Heu und Frischfutter zu ernähren. Die Umstellung kann mehrere Wochen dauern, ist aber für ein langes und gesundes Leben unerlässlich.
Symptome
Was passiert nun, wenn die Zähne nicht korrekt abgenutzt werden?
Meist sind zuerst die Backenzähne betroffen. Bei diesen steht die Kaufläche der Zähne etwas schief, sie fällt nach außen zur Wange hin ab. Dies führt dazu, dass schlecht abgenutzte Zähne im Unterkiefer spitze Kanten zur Zunge hin entwickeln, die im Oberkiefer entwickeln Spitzen zur Wange hin. Man spricht hier von so genannten „Zahnhaken“. Diese können so lang werden, dass sie sich regelrecht in die Zunge oder Wange einbohren und Wunden in der Schleimhaut erzeugen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kann das Tier nicht mehr fressen und
hat starke Schmerzen. Auch eine Überlastung einzelner Zähne ist bei schlechter Abnutzung möglich. Dann wachsen
diese Zähne, dem starken Druck folgend, in den Kiefer hinein. Sie führen dann oft zu Abszessen und Schäden an Augen und Tränennasenkanal. Durch diese Vorgänge kann auch die gesamte Achse des Kiefers verschoben werden, so dass die Schneidezähne nicht mehr richtig aufeinander treffen und viel zu lang werden. Sie können dann kreisförmig oder nach vorne aus dem Maul heraus wachsen, in jedem Fall kann das Futter nicht mehr abgebissen und normal aufgenommen werden. Ist ein Tier bereits an den Zähnen erkrankt, so ist dies für den Besitzer oft nicht gleich zu sehen, da die Probleme sich meist schleichend entwickeln. Auf folgende Anzeichen sollte man achten:
- Gewichtsverlust (einmal wöchentlich wiegen auf einer Küchenwaage ist eine hervorragende Gesundheitsvorsorge)
- Selektives und/oder langsames Fressen (meist werden harte Futterbestandteile aussortiert)
- Speicheln (auf verklebtes Fell am Kinn oder wunde Stellen am Hals achten)
- Zähneknirschen
- Durchfall
- Tränende Augen
- Schwellungen am Kiefer
- Einstellen der Futteraufnahme
- Sichtlich veränderte, z.B. schief abgeschliffene Schneidezähne, weisen oft auf Probleme mit den Backenzähnen hin.
Die beste Gesundheitsvorsorge, neben einer artgerechten Haltung und Fütterung, ist eine gute Kontrolle der Tiere. Schon einige Minuten täglich reichen, um die Tiere bei der Fütterung zu beobachten und Erkrankungen relativ früh zu bemerken. Eine Kontrolle beim Tierarzt, z.B. bei der Impfuntersuchung, ermöglicht eine Früherkennung von
Zahnerkrankungen.
Therapie
Im Anfangsstadium können Zahnprobleme durch das Abschleifen und Kürzen der Zähne beim Tierarzt meist noch behoben werden. Oft ist hierfür jedoch eine Narkose erforderlich, da insbesondere das Abschleifen der Backenzähne beim wachen Tier zu stressbelastet und riskant wäre. Auf keinen Fall sollten zu lange Zähne einfach mit einer Zange abgeknipst werden, da hierbei der Zahn splittern kann und der Vorgang sehr schmerzhaft ist. Zu lange Frontzähne werden üblicherweise mit speziellen Trennscheiben gekürzt. Röntgenbilder helfen, Abszesse und Probleme an den Zahnwurzeln zu erkennen. In ernsten Fällen müssen oft auch Zähne gezogen werden.
Prognose
Sind schon ernste Zahnfehlstellungen, Abszesse und Wunden vorhanden, kann die Behandlung sehr schwierig und langwierig sein. Meist sind dann lebenslange Korrekturen des Gebisses in Abständen von einigen Wochen notwendig. Auch unheilbare Zahnprobleme kommen in der Tierarztpraxis immer wieder vor, die Tiere
müssen dann eingeschläfert werden. Um dies zu vermeiden ist eine gesunde Ernährung und gute Beobachtung ihrer Tiere die beste Voraussetzung.
© Tierarztpraxis Dr. Baronetzky-Mercier, Oktober 2016