Verhaltensstörungen beim Hund

Verschiedene Faktoren können bei Hunden Verhaltensstörungen auslösen. Wir klären hier, was eine Verhaltensstörung eigentlich ist, und wie Sie Ihrem Vierbeiner helfen können.

Was ist eine Verhaltensstörung beim Hund?

Als Verhaltensstörung beim Hund gilt vom Normalverhalten deutlich abweichendes Verhalten, das den Hund einschränkt  z. B. in Selbsterhaltung, Fortpflanzung oder dem Ausüben normaler Bedürfnisse. Dieses Verhalten dient oft dem Stressabbau oder dem Generieren von Aufmerksamkeit, bisweilen ist aber auch gar kein Zweck erkennbar. Dies gilt besonders für stereotype Verhaltensweisen, mehr dazu siehe unten.

Verhaltensstörungen bei Hunden beeinträchtigen die Mensch-Hund-Interaktion und oft auch den Sozialkontakt zu anderen Hunden.

Allerdings sind die Übergänge fließend: Lediglich auffälliges Verhalten muss nicht gleich eine Verhaltensstörung beim Hund sein. Und manches unerwünschte Verhalten ist einfach eine Unart. Diese kann recht schnell entstehen, weil Hunde als soziale Tiere zügig über Belohnung lernen.

Wichtig: Eine Verhaltensstörung gefährdet die psychische (Stress) und ggfs. die physische (z. B. Verletzung, Vergiftung) Gesundheit des Hundes. Das Tier kann also sehr unter einem von uns nicht immer als problematisch erkannten Verhalten leiden! Gleichzeitig stellen manche Hunde mit Verhaltensstörung eine ernste Gefahr für ihre Umwelt dar. Insbesondere Kinder, der Halter selbst, aber auch andere Hunde bzw. andere Tiere können sich in einer bedrohten Lage wiederfinden. Daher sollte mit einem abweichenden Verhalten bei Hunden immer aufmerksam und sensibel umgegangen werden! 

Wenn Sie Sorge haben, dass Ihr Hund eine Verhaltensstörung haben könnte bzw. Sie von anderen darauf angesprochen werden, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an Ihren Tierarzt.

Wie entstehen Verhaltensstörungen bei Hunden?

Grundsätzlich sollte man eine Verhaltensstörung beim Hund verstehen als Überforderung der Anpassungsfähigkeit: Er ist nicht in der Lage, sich an die bestehenden Verhältnisse um ihn herum anzupassen. Überwiegend sind die Haltung, Erziehung und ggfs. Nutzung des Hundes ausschlaggebend für das Entstehen von Verhaltensproblemen. Dazu zählen etwa:

  • Langeweile oder Überforderung
  • Stress
  • gestörte Mensch-Tier-Beziehung
  • mangelndes Wissen über oder mangelnde Zeit für Hundehaltung und -beschäftigung

Hatte das Tier ein traumatisches Erlebnis, kann dies ebenfalls eine Verhaltensstörung beim Hund nach sich ziehen. Und neben körperlichen Ursachen wie z. B. eingeschränkten Sinnesleistungen oder Schmerzen, gibt es genetische Faktoren, die die Entstehung begünstigen. 

Welche Verhaltensstörungen bei Hunden gibt es?

Man kann die Verhaltensstörungen bei Hunden einteilen in

  • übertriebenes Angstverhalten
  • gestört aggressives Verhalten
  • Stereotypien
  • Trennungsprobleme
  • Probleme der Impulskontrolle
  • und krankheitsbedingte Störungen (z. B. Narkolepsie).

Übertriebenes Angstverhalten:

Grundsätzlich ist „Angst“ ein gesundes und sinnvolles Gefühl – wenn sie sich auf die richtigen Dinge richtet. Bei übertriebenem Angstverhalten kommt der Hund mit seinem „Alltag“ nicht mehr zurecht: Sich draußen zu lösen oder in Ruhe zu fressen wird für ihn schwierig bis unmöglich. Phobien, also starke Ängste, können sich auf bestimmte Objekte oder Personen beziehen. (Manche Hunde haben z. B. panische Angst vor Kindern.) 

Da manche Hunde aus Angst beißen, kann eine solche Verhaltensstörung beim Hund nicht nur belastend für das Tier, sondern auch gefährlich für andere Hunde und Menschen sein. Übertriebenes Angstverhalten entwickelt sich häufig Stück für Stück, bis aus dem Verhaltensproblem eine Verhaltensstörung beim Hund geworden ist.

Trennungsprobleme können, müssen aber nicht auf Angst zurückzuführen sein. Manchen Hunden verursacht das Alleinsein Langeweile und mithin Stress, was wiederum zu nachfolgenden Verhaltensproblemen wie dem Zerkauen von Gegenständen, Unsauberkeit, Bellen und Jaulen führt. Trennungs- bzw. Trennungsangstprobleme treten relativ häufig bei Jungtieren auf, in unterschiedlicher Ausprägung.

Gestört aggressives Verhalten:

Auch aggressives Verhalten gehört zum Normalverhalten des Hundes. Allerdings folgt es normalerweise bestimmten Regeln, die während des Lebens, v. a. auch in der Welpenzeit erlernt wurden. 

Ein gesunder Hund, dem die Möglichkeiten zur Körpersprache zu Verfügung stehen (nicht eingeschränkt durch z. B. kupierte Ohren oder Schwanz, extremes Faltengesicht, kurze Maulwinkel, etc.), wird nur in sehr „wichtigen“ Fällen angreifen oder angegriffen werden. Ein Angriff birgt ja auch für ihn immer das Risiko, selbst verletzt zu werden. In der Regel werden Konflikte also über Drohverhalten (hierzu ist eine erkennbare Mimik-Augen, Ohrenspiel, Lefzenstellung wichtig), Flucht oder – meistens – über soziale Interaktion der Beschwichtigung/Demut gelöst.

Ein gestört aggressives Verhalten zeichnet sich durch plötzliches Angreifen ohne vorhergehendes Drohverhalten aus. Wurde dem Hund das Drohen durch Strafe aberzogen, kann dies ebenso der Grund sein wie eine genetische Veranlagung. Aber auch körperliche Schmerzen, hormonell bedingt gesteigerte Aggression (ganz normal und in freier Wildbahn sinnvoll bei der Hündin mit Welpen oder in der Läufigkeit) oder übersteigerte Angst können zu Aggression führen. Territorial bedingte Aggression tritt meist nur im eigenen Garten o. Ä. auf, seltener im freien Gelände, wo sich die Hunde meist normal benehmen. Anders sieht es aus, wenn der Hund seinen Halter beschützen will: Dies ist dann natürlich auch beim Gassigehen problematisch.

Selbstverständlich ist dieses Verhalten sehr gefährlich für die Umwelt des Hundes! Eine Verhaltenstherapie für den Hund ist unerlässlich.

Stereotypien und Zwangsverhalten:

Als stereotypes Verhalten bezeichnet man immer wiederkehrende Verhaltenssequenzen, die keinem erkennbaren Zweck dienen. Sie treten über einen langen Zeitraum regelmäßig auf. Häufig gibt es einen bekannten Auslöser, nach dem das Verhalten gezeigt wird.

Zu den Stereotypien zählen z. B. folgende Verhaltensweisen:

  • übermäßiges Lecken (manchmal bis zu einer Leckdermatitis, häufig an den Vorderbeinen)
  • übermäßiges Bellen
  • Schwanzjagen, im-Kreis-Laufen, Fliegenfangen
  • starres Stehen vor der Wand
  • Fressen unverdaulicher Gegenstände (Tüten, Steine, etc.; wird bisweilen nur als Unart gezeigt, kann aber zu einer Verhaltensstörung beim Hund werden)
  • uvm.

Oft steigern sich die stereotypen Verhaltensstörungen beim Hund durch ungewollte Bestätigung durch den Tierhalter immer mehr, bis es nicht mehr möglich ist, den Hund darin zu unterbrechen. Es kommt auch zur Vernachlässigung lebensnotwendiger Verhaltensweisen wie Schlafen oder Fressen. Und das Fressen unverdaulicher Dinge birgt natürlich die erhebliche Gefahr eines Darmverschlusses oder einer Vergiftung.

Gestörte Impulskontrolle:

Manche Hunde zeigen ein Verhalten, das dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) des Menschen ähnelt. Diese Verhaltensstörungen bei Hunden nennt man Impulskontrollprobleme.

Die Tiere sind sehr schnell erregbar, motorisch aktiv, haben eine niedrige Frustrationstoleranz und zeigen eine mangelhafte Lernfähigkeit und Ausdauer beim Training. Unter Stress bzw. bei Frust können sie unter Umständen schnell aggressiv werden.

Diese Hunde-Verhaltensstörung tritt vor allem nach ungenügender Sozialisation und bei schlechter Haltung auf, zudem gibt es eine genetische Komponente. Für solche Hunde sind feste Abläufe, stark ritualisiertes Training und kurze Lern-Intervalle sehr wichtig. Auch eine medikamentöse Behandlung kann hilfreich sein.

Wie werden Verhaltensstörungen beim Hund behandelt?

Zuerst müssen mögliche organische Ursachen für die Verhaltensstörung des Hundes ausgeschlossen werden. Neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung können weitere Tests wie eine Blutuntersuchung oder bildgebende Verfahren wie Röntgen und Ultraschall sinnvoll sein.

Die Liste möglicher Ursachen ist lang: Chronische Schmerzen, z. B. bei einer Arthrose, können zu zurückgezogenem Verhalten führen. Werden schmerzende Areale berührt, schnappt der Hund vielleicht nach der Hand. Ein Verlust etwa der Hör- oder/und Sehfähigkeit macht den Hund im Alter oft ängstlich und vorsichtig, evtl. beißt er vor Schreck zu. Auch Stoffwechselerkrankungen wie die Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) oder Erkrankungen des Nervensystems (Epilepsie, Vergiftungen, Alterungsprozesse) oder deren Medikation führen zu Verhaltensänderungen.

Sind körperliche Ursachen für die Verhaltensstörung beim Hund nicht zu finden bzw. bestmöglich in Behandlung (gerade Stoffwechselerkrankungen oder chronische Schmerzen sind meist nicht heilbar), geht es an die Verhaltenstherapie des Hundes.

Verhaltenstherapie beim Hund: Wie läuft sie ab?

Sinnvoll ist es, einen Fachtierarzt für Verhaltensmedizin aufzusuchen. Ihr Haustierarzt kann Sie entsprechend an qualifizierte Kollegen überwiesen. Er wird mit Ihnen sämtliche Bereiche des Verhaltens Ihres Hundes durchgehen, seinen Alltag analysieren und sich natürlich das problematische Verhalten ansehen. Videos und Fotos, die Sie zur Konsultation mitbringen, können sehr hilfreich sein. 

Die Verhaltenstherapie beim Hund beinhaltet dann neben erzieherischen Maßnahmen oft eine Umgestaltung der Umgebung (Rückzugsräume) und des Alltags (andere Beschäftigung, Fütterungsumstellung). Wenn dies nicht ausreicht, können bestimmte Futtermittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente (Psychopharmaka) gegen Verhaltensstörungen bei Hunden zum Einsatz kommen. Dies kann vorübergehend oder dauerhaft notwendig sein.

Wichtig: Gehen Sie mit Verhaltensproblemen Ihres Hundes lieber zeitnah zum Tierarzt oder zu einem vom Tierarzt empfohlenen qualifizierten Hundetrainer! Je stärker sich das Verhalten verfestigt hat, desto schwieriger kann es sein, das Problem zu lösen. 

Sie brauchen Geduld: Um problematisches Verhalten oder eine Verhaltensstörung beim Hund zu beenden oder zumindest so zu lindern, dass es allen Beteiligten damit gut geht, dauert es oft eine Weile und Ihre aktive Mithilfe sowie die aller Personen im Haushalt ist gefragt!

Verhaltenstherapie Hund: Kosten

Eine Verhaltenstherapie für Hunde ist eine tierärztliche Leistung wie andere auch. Manche Tierhalter haben das Gefühl „Der hat doch gar nichts gemacht?“. Das liegt daran, dass in der Verhaltenstherapie das genaue Abfragen verschiedener Verhaltensweisen (Anamnese) und Beobachten des Hundes einen großen Raum einnehmen, bevor eine Therapie gestartet werden kann. Dafür bedarf es aber natürlich tiermedizinischer Expertise und viel Erfahrung – und Zeit.

Wenn Sie dazu Fragen haben, was die Verhaltenstherapie für Hunde kostet, sprechen sie dies ruhig an.

Kann man Verhaltensstörungen beim Hund vorbeugen?

Analog zu den auslösenden Faktoren können Sie natürlich einiges tun, um die psychische Gesundheit Ihres Lieblings zu pflegen.

Sozialisation: 

Welpen müssen in der Sozialisationsphase (ab der 4. Lebenswoche bis etwa 3./4. Monat) möglichst viele Dinge kennenlernen. Andere Hunde verschiedener Rassen, Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts, Fahrzeuge, Transport, Reize aller Art. Auch Stress, Frustration, Ärger und Freude müssen vorkommen, um später mit solchen Gefühlen adäquat umgehen zu können.

In diesem Alter ist die Lernbegeisterung groß und dies schafft für später eine gute Basis. So wird der erwachsene Hund nicht von völlig normalen Dingen erschreckt. Außerdem schult eine entsprechende Förderung in der Welpenzeit die Lernfähigkeit, sodass auch später neue Erlebnisse besser verarbeitet werden.

Haltung:

Bieten Sie Ihrem Liebling einen verlässlichen Rahmen mit einem Tagesrhythmus, der zu Ihnen beiden passt. Gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und geistige Auslastung gehören dazu. Ebenso Ruhephasen und klare Regeln.

Übrigens sind die Gene nicht irrelevant: Zwar ist jeder Hund individuell, aber einige Veranlagungen gibt es doch. Manche Rassen zeigen eine stärkere Veranlagung für aggressives Verhalten oder eine geringere Stresstoleranz und sind daher weniger für trubelige Familien geeignet. Andere sind sehr „rudelbezogen“ – mögen also nicht gern allein sein. Und ganz normales Verhalten, wie etwa Jaulen, kann in einer engen Stadtwohnung zum ernsten Problem werden, obwohl es sich dabei nicht um eine Verhaltensstörung des Hundes handelt. Dies sind Punkte, die bei Anschaffung und Haltung eines Hundes unbedingt beachtet werden müssen!

Training:

Regelmäßiges Training mit dem Hund stärkt nicht nur die Bindung zwischen Besitzer und Vierbeiner. Es verankert einen guten Grundgehorsam, lässt auch stressige Situationen besser vorüberziehen und lässt sich zudem ausbauen, wenn sich irgendwo Probleme abzeichnen.

Leider ist die Qualität des angebotenen Hundetrainings sehr unterschiedlich. Schlecht durchgeführtes Hundetraining schadet aber mehr als es nutzt. Fragen Sie Ihren Tierarzt nach guten Adressen und hören sich unter anderen Hundehaltern ein wenig um.

Verhaltensstörungen bei Hunden: Fazit

Wenn Ihr Hund auffälliges oder störendes Verhalten zeigt, holen Sie sich frühzeitig Unterstützung bei qualifiziertem Personal. So können sich Verhaltensstörungen möglichst gar nicht erst entwickeln. Ihr Hund hat bereits eine Verhaltensstörung? Dann gibt es verschiedene therapeutische Ansätze, die einzeln oder in Kombination zu einer starken Verbesserung der Situation führen können. 

©AniCura

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