Defekte an den Zähnen ihrer Hunde werden von den meisten Tierhaltern spät oder gar nicht bemerkt. Sie kommen deshalb sehr häufig bei tierärztlichen Routineuntersuchungen wie Impfungen ans Tageslicht. Dann ist die schnelle Einordnung der Verletzung und eine verlässliche Prognose durch den Tierarzt gefragt.
Dass viele Veränderungen einander äußerst ähnlich sind, ergibt sich aus der Embryologie und Anatomie des Zahnes: Der Zahn besteht aus Pulpa, Dentin und Schmelz und entwickelt sich in der Zahnleiste während der ersten Lebenswochen.
Der Schmelz wird von den Adamantoblasten, die wie eine Mütze auf dem Zahnkeim sitzen, über das Dentin ausgeschieden, während das Dentin von Osteoblasten, die auf der Außenseite der Pulpa sitzen, unterhalb der Schmelzkappe angelagert wird.
Die Schmelz-Dentin-Grenze ist für die Embryonalentwicklung des Zahnes deshalb von ganz besonderer Bedeutung. Kommt es während der Entwicklung vor allem der bleibenden Zähne im Alter von 4 bis 14 Wochen zu schweren Störungen, so stellen sich Defekte im Aufbau der Zähne ein. Sind die Störungen lokal, kommt es zu Veränderungen einzelner Zähne. Beispiele solcher Veränderungen sind die abgebildeten lokalen Schmelzdefekte. Sie entstanden nach Entzündungen an den entsprechenden Milchzähnen. Da deren Wurzeln in der Nachbarschaft der Adamantoblasten-Kappe enden, kommt es zu Stoffwechselstörungen, wenn eine Milchzahnpulpitis auftritt – dies z.B. nach einer Milchzahnfraktur. Systemische Fehlbildungen treten z.B. bei schweren Allgemeinerkrankungen im Welpenalter auf.
Die Restauration solcher Zähne gelingt mit Kunststoffen in Schmelz- und Dentin-Anätz- Technik häufig mit sehr gutem funktionellem und kosmetischem Ergebnis.
Stehen die Zähne vollzählig im Gebiss, sind sie ständiger Abnutzung ausgesetzt. Vor allem bei Aufnahme sehr harter Nahrung, im Hundesport oder beim Spielen mit harten Stöcken und Steinen nutzen sich die Zahnspitzen stark ab. Erfolgt die Abnutzung gleichmäßig und nicht zu schnell, wird durch die fort- bestehende Osteoblasten- aktivität in der Pulpa Tertiärdentin gebildet. Die Pulpa bleibt geschlossen, an der Kronenspitze entsteht ein brauner Punkt. Eine Therapie ist nicht notwendig.
Beim Käfigbeißer ist eine Therapie allerdings angezeigt, weil der Zahn immer dünner und schwächer wird und schließlich abbricht. Die Restauration des Zahnes erfolgt nach Einbringung von Parapulpärstiften, die der Konstruktion guten Halt verleihen, mit Hilfe von Kunststoffen in Schmelz- und Dentin-Anätz- Technik.
Wenn die Verletzung des Zahnhartgewebes bis in die Pulpa vordringt, ist der Zahn akut in seinem Bestand gefährdet.
Solange die Frakturlinie nur Schmelz oder Dentin (A oder B) verletzt, ist die Pulpa durch Versiegelung der Wunde leicht und dauerhaft zu schützen. Dabei werden die Kapillarkräfte der Dentinkanälchen genutzt, um die lichthärtende Kunstftoffmasse in das Dentin einzubringen. Bei Eröffnung der Pulpa (C) muss diese speziell versorgt werden. Ist der Zahn insgesamt frakturiert, insbesondere in den Wurzelbereich hinein (D), bleibt oft nur die Extraktion.
Eröffnungen der Pulpa sollten möglichst frisch sein. Tritt nach Sondieren der Pulpa Blut aus, manchmal ist es nur ein kleiner Tropfen, kann eine Vitalamputation durchgeführt werden. Der Zahn bleibt dabei vital, die Unterfüllung regt die Bildung von Tertiärdentin an, worauf sich die Pulpa unter der Füllung nach 2-4 Monaten wieder verschließt. Die mechanische Belastbarkeit des Zahnes wird durch die Füllung mit dem besonders stabilen Amalgam oder Kunststoffen erreicht.
Ist bereits eine Pulpagangrän aufgetreten, tritt nach dem Sondieren nur eine m.o.w schwarze, stinkende Masse aus. Der Pulpeninhalt ist abgestorben und muss komplett entfernt werden. Hierzu verwendet man Nervennadeln entsprechender Länge. Die Wurzelhöhle wird gereinigt, gespült, getrocknet und dann in Abhängigkeit vom Zustand weiterversorgt. Da viele dieser Patienten ein entzündliches Wurzelspitzengranulom aufweisen, sollte eine Röntgenkontrolle vorgenommen werden. Die Pulpa kann mit keimhemmender Wurzelfüllpaste abgefüllt werden. Die endgültige Füllung der gesamten Pulpa erfolgt mittels Amalgam, das dem Zahn zusätzlich Stabilität verleiht. Möglicherweise muss auch noch die entzündete Wurzelspitze reseziert werden.
Eine Pulpagangrän und ihre Versorgung ist für Hund und Besitzer mit erheblich mehr Leiden und Beschwerden verbunden als die Versorgung der frischen Pulpeneröffnung durch Vitalamputation. Gelegentlich können dafür gar 2-3 Behandlungen in Narkose notwendig werden. Dieser Unterschied sollte dem Tierhalter aufgezeigt werden, wenn er sich nicht entschließen will, eine frische Fraktur behandeln zu lassen, „weil der Hund keine Schmerzen zeigt“.
Außer bei Zucht-, Dienst- oder Sport- hunden wird die Versorgung einer Pulpagangrän für kleine Prämolaren nur selten durchgeführt. Der Funktionsverlust durch die Zahnextraktion eines kleinen Prämolaren steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum Behandlungsaufwand. Allerdings wird die Versorgung von den Besitzern häufiger aus kosmetischen Gründen gewünscht.
Manche stark zerstörten Zähne lassen sich durch Überkronung noch retten. Es erfolgt in jedem Fall die Entfernung des Pulpeninhaltes, um für die Krone eine ausreichende Verankerung zu finden. Die Krone des Zahnes wird präpariert. Es erfolgt die Abdrucknahme. Im zahntechnischen Labor wird eine Krone hergestellt, die in einer weiteren Sitzung eingesetzt wird. Kronen sollten immer etwas kürzer sein als der gesunde Zahn. Damit werden die Hebel kürzer, über die die erheblichen Kräfte wirken.
Die meisten Kronen für Hunde werden in Edelstahl gegossen. Dadurch bleibt der Zahn allerdings silbrig glänzend. Es gibt zwar porzellanverblendete Edelstahlkronen, die auch Hunden eingesetzt werden können. Da die Tiere auf die Krone aber nicht so achten wie ein Mensch, splittert das sehr spröde Porzellan häufig ab. Zurück bleibt ebenfalls eine silbrige Krone. Der erhebliche Mehrpreis ist deshalb schwer zu rechtfertigen. In den letzten Jahren wurden vereinzelt weiße Keramikkronen angefertigt. Sie sind extrem teuer und liegen in ihrer Haltbarkeit zwischen Porzellan- und Edelstahlkronen.
Karies führt beim Hund nur äußerst selten zu Zahnerkrankungen, da den Hunden Schmelzfalten weitgehend fehlen. Lediglich zwischen den beiden Spitzen der Reißzähne und im sogenannten Bodingbauer-Loch am M1 im Oberkiefer sind die Voraussetzungen für die Kariesbil- dung erfüllt. Die Besitzer suchen den Tierarzt nur selten deswegen auf, da die Tiere keinerlei Beschwerden zeigen. Bei weit fortgeschrittener Karies entsteht häufig starker fauliger Mundgeruch.
Die Karies wird wie beim Menschen bis ins Gesunde ausgebohrt. Leider verläuft die Pulpa sehr nah unter dem Bodingbauer-Loch, das außerdem nur eine hauchdünne Schmelzschicht trägt. Deshalb wird der Zahn in sehr vielen Fällen schon so stark zerstört vorgestellt, dass eine Füllung nicht mehr möglich ist. Bisweilen sind die drei Wurzeln des Zahnes gar nicht mehr miteinander verbunden. Dann bleibt nur noch die Extraktion.
© Dr. Staudacher, AniCura Aachen