Nein, zwischen bpt und Anicura wurde kein Kooperationsvertrag, sondern ein Korporativ-Vertrag geschlossen. Mitglied des bpt wird damit – wie immer und auch weiterhin – der einzelne, individuelle Tierarzt. Dieser bekommt als Angestellter von seinem Arbeitgeber AniCura das Angebot, die Mitgliedsgebühren zu übernehmen. Weiterhin müssen hierfür also personalisierte Mitgliedsanträge gestellt werden und erfolgt keine Sammelanmeldung sämtlicher AniCura-Mitarbeiter, wie es der BaT befürchtet. Der Korporativ-Vertrag hält außerdem klar fest, dass AniCura-Tierärzte/innen ihre Mitgliedschaft selbstverständlich weisungsfrei ausüben können müssen.
„Wir würden uns wünschen, dass wir durch den Korporativ-Vertrag etwa 250 AniCura-Mitarbeiter neu im bpt begrüßen dürfen und für die Arbeit im Verband begeistern können“, sagt Carla Naumann, Country Manager DACH bei AniCura. „Wir gestalten gemeinsam die tierärztliche Versorgung von morgen, heißt es in unserer Firmen-Vision. Diese Idee wollen wir leben – und gemeinsam mit dem bpt gestalten.“ Bei den derzeit knapp 8.000 Mitgliedern des bpt könne und wolle man zwar präsenter sein, aber vor allem über qualitativ hochwertige Beiträge mitgestalten, nicht über die schlichte Anzahl an Mitgliedern.
Falschaussagen und Fehlinformationen können bpt und AniCura daher mit Transparenz direkt entkräften. Der folgende Faktencheck des bpt stellt diese Falschinformationen richtig und erläutert die wesentlichen Eckpunkte des Vertrags.
Faktencheck durch bpt
Korporativ-Vertrag, nicht Kooperationsvertrag – worum geht es dabei?
Zwischen bpt und AniCura wurde kein Kooperationsvertrag, sondern ein Korporativ-Vertrag geschlossen. Der Korporativ-Vertrag schafft einen vereinfachten organisatorisch-rechtlichen Rahmen, um den bei einem Unternehmen (juristische Person/in diesem Fall AniCura Deutschland) angestellten Tierärzte/innen eine durch ihren Arbeitgeber getragene bpt- Mitgliedschaft zu ermöglichen.
Für ein Korporativ-Mitglied gelten keine ‚neue‘ Regeln für die Mitgliedschaft. Ein Korporativ-Vertragspartner – in diesem Fall AniCura – anerkennt explizit die ‚Spielregeln‘ des bpt, nämlich die bpt-Satzung, an. Mit dem Korporativ-Vertrag wird jetzt erstmalig auch die seit Jahren im bpt diskutierte Möglichkeit für eine ‚Praxismitgliedschaft‘ umgesetzt. Diese Möglichkeit steht selbstverständlich für alle Praxen, Kliniken und auch weiteren ‚Corporates‘ in Deutschland offen – wenn sie den bpt in seiner berufspolitischen Arbeit zusätzlich unterstützen wollen.
Es handelt sich im vorliegenden Fall also nicht um eine exklusive Kooperation, sondern um eine satzungskonforme (Korporativ-)bpt-Mitgliedschaft. Der jetzt mit AniCura ausgehandelte Vertrag dient als Muster/ Pilotprojekt für weitere Korporativ-Mitgliedschaften. Erste Gespräche mit weiteren Interessenten wurden dazu auch schon geführt. U.a. wurde das Angebot dem Verband Unabhängiger Kleintierkliniken (VUK) unterbreitet; weitere Praxen/Kliniken aus dem Kleintier-, Pferde- und Nutztierbereich wurden bzw. werden noch angesprochen.
Warum wurde der Korporativ-Vertrag (jetzt) geschlossen?
Studien zeigen, dass sich die Tiermedizin wandelt und in Zukunft ‚angestellt‘ und stärker ‚corporatisiert‘ sein wird. Auch in Deutschland übernehmen seit einigen Jahren vermehrt sog. ‚Corporates‘ (seit vielen Jahren etablierte) Praxen und Kliniken – nicht zuletzt weil sich nicht genügend Tierärzte/innen finden, die selbständig arbeiten wollen.
Diese Entwicklung war bereits 2017 der Grund dafür, dass damals die bpt-Mitgliederversammlung in München einstimmig in § 6 der neu beschlossenen bpt-Satzung die Möglichkeit geschaffen hat, Korporativ-Organisationen als bpt-Mitglieder aufzunehmen (siehe dazu auch „Münchner Grundsatzprogramm 2017“). In den folgenden Delegiertenversammlungen 2018 und 2019 wurden Präsidium und Geschäftsführung im Rahmen der Haushaltsberatungen mehrfach aufgefordert, diese von der Satzung vorgesehene Möglichkeit mit Leben zu füllen.
Welches Ziel verfolgt der Korporativ-Vertrag?
Vertraglich angestrebtes Ziel eines Korporativ-Vertrages ist es, den Organisationsgrad des bpt in der Tierärzteschaft zu stärken. Gleichzeitig wollen die Korporativ-Partner – in diesem Fall AniCura – so die wichtige berufspolitische Arbeit des bpt für den gesamten tierärztlichen Berufsstand stärken.
Im konkreten Fall soll der bpt-Organisationsgrad bei AniCura-Tierärzten von derzeit 15 % auf künftig 50 % steigen. AniCura wirbt dazu bei seinen angestellten Tierärzten/innen für einen freiwilligen bpt-Beitritt und übernimmt die Mitgliedsbeiträge für seine Angestellten.
Wichtig dabei ist: Jede/r AniCura-Tierarzt/in ist freiwilliges, persönliches, vollwertiges bpt- Mitglied. Das wird auch dadurch deutlich, dass die Mitgliedschaft beim bpt zunächst beste-hen bleibt, auch wenn das Arbeitsverhältnis bei AniCura endet. Eine Kündigung der Mitglied-schaft beim bpt kann nur das Mitglied selbst vornehmen, also so wie jedes ordentliche bpt-Mitglied, das seinen Arbeitgeber wechselt.
Gibt es Sonderkonditionen für AniCura-Tierärzte/innen beim bpt?
Nein! AniCura-Tierärzte/innen werden ordentliches bpt-Mitglied im Bundes- und im jeweiligen Landesverband. Sie haben exakt die identischen Rechte und Pflichten wie alle anderen bpt-Mitglieder (Zugang zu Beratungsleistungen, Fortbildungsrabatte etc.). AniCura-Tierärzte/innen zahlen auch exakt den gleichen Mitgliedsbeitrag, und zwar vom ersten Tag an (ohne die sonst übliche Ermäßigung im ersten Jahr der Mitgliedschaft).
Kann AniCura Einfluss auf die politische Meinungsbildung beim bpt nehmen?
Tierärzte/innen, die bei AniCura angestellt sind, haben als ordentliches Mitglied das aktive und passive Wahlrecht. In Relation zu den bundesweit 7.900 bpt-Mitgliedern läge der Anteil der momentan vertraglich angestrebten 250 Anicura-Tierärzten/innen bei rund 3 %. Ein beherrschender Einfluss auf berufspolitische Entscheidungen lässt sich daraus nicht ableiten.
Der Korporativ-Vertrag hält außerdem klar fest, dass AniCura-Tierärzte/innen ihre Mitgliedschaft weisungsfrei ausüben können müssen. Für andere Mitarbeiter/innen der AniCura-Holding (Nicht-Tierärzte) besteht keine Möglichkeit in die Gremien des bpt zu gelangen, da sie qua Satzung kein ordentliches bpt-Mitglied werden können. Gleichwohl kann der Präsident – so wie das seit vielen Jahren für bpt-Fördermitglieder und andere Gäste gehandhabt wird – einen Vertreter zu den bpt-Delegiertenversammlungen (nicht zu Vorstandssitzungen) zulassen.
Ist die Aufnahme von AniCura-Tierärzten/innen mit den satzungsgemäßen Zie-len des bpt vereinbar?
Ja! Ob Tierärzte/innen bei einem ‚Corporate’ oder in einer Praxis angestellt sind, unterscheidet sie nicht von anderen praktizierenden Tierärzten/innen. Im bpt sind derzeit schon über 2.100 angestellte Tierärzte/innen organisiert (davon waren in 2020 bereits 79 angestellte AniCura-Tierärzte/innen).
Der bpt war und ist im Übrigen kein Verband von ausschließlich wirtschaftlich unabhängigen Tierärzten/innen (selbständigen Praxisinhabern/innen). Der Verband vertritt satzungsgemäß schon immer die mit der Berufsausübung verbundenen Interessen aller freiberuflich praktizierenden Tierärzte/innen, unabhängig vom Angestellten- oder Inhaberstatus.
(Zur Klarstellung: Freiberufler ist rechtlich nicht nur ein Tierarzt in eigener Praxis/ Klinik, sondern auch im Angestelltenverhältnis. Der Tierarztberuf ist stets ein freier Beruf, eine Anstellung ändert daran nichts. Ausdrücklich nennt die bpt-Satzung in § 3 Abs. 3 Nr. 2 daher auch das „Berufsbild des Tierarztes in seiner Vielfalt“).
Welche Vorteile haben alle bpt-Mitglieder durch Korporativ-Mitglieder?
Ziel einer Korporativ-Mitgliedschaft ist die Erhöhung des bpt-Organisationsgrades bei angestellten Tierärzten/innen. Je mehr Mitglieder der Verband hat, desto größer ist das berufspolitische Gewicht und die Schlagkraft des bpt gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Wirtschafts-partnern. Davon profitiert nicht nur jedes einzelne bpt-Mitglied, sondern auch der/die Kooperativ-Partner.
Ziel ist auch eine Stärkung der Beitragsaufkommens, das den bpt in die Lage versetzt, sein Dienstleistungsangebot für alle Mitglieder weiter auszubauen (z. B. Entwicklung Digitalstrategie, Ausbau Beratungsleistungen etc.).
Ziel ist aber auch, die Angebote der bpt Akademie GmbH, also insbesondere bpt-Kongress und bpt-intensiv Kleintier, im hart umkämpften Fortbildungsmarkt durch zusätzliche Teilnehmer/innen konkurrenzfähig zu halten, in dem u.a. auch möglichst viele Tierärzte/innen von Korprorativ-Vertragspartnern, die sich nicht zur bpt-Mitgliedschaft entschließen, durch einen Preisnachlass von 50 Prozent des Mitgliederrabatts dazu motiviert werden, ihre Fortbildungen über die bpt Akademie GmbH zu absolvieren.
Die Einbindung von möglichst vielen praktizierenden Tierärzten/innen in die bpt-Strukturen wirkt außerdem der Entstehung weiterer eigenständiger Interessenvereinigungen entgegen.
Aus Verbandssicht ist es zwingend, eine Schwächung der Interessenvertretung praktizierender Tierärzte/innen durch „Kannibalisierung“ zu verhindern. Berufspolitische Erfolge, wie die Durchsetzung der Systemrelevanz in der Coronakrise, die schnelle Durchsetzung der GOT-Notdienstnovelle, eine praxisnahe Ausgestaltung des neuen Tierarzneimittelgesetzes oder auch das Angebot praxisnaher digitaler Fortbildungsangebote, zeigen, dass es in Gegenwart und Zukunft mehr denn je eine starke Praktikervertretung für Angestellte und Selbständige braucht.
Insbesondere für die Lösung des derzeit drängendsten Praxisproblems, den Fachkräftemangel, braucht es den Dialog zwischen Arbeitgebern und Angestellten unter einem Dach. Mit der Initiative Tierärztliche Ausbildungspraxis, dem Arbeitskreis Angestellte Tierärzte, der Jobmesse mit Career Day beim bpt-Kongress sowie der AG TFA gibt es schon jetzt Lösungsansätze, die es weiter auszubauen gilt. Der Tierarztmangel und mögliche Lösungsansätze sollen im Übrigen auch Thema einer Kampagne sein, die der bpt unter Einbeziehung seiner Mit-glieder zur Bundestagwahl 2021 startet.
Wer entscheidet beim bpt über einen Korporativ-Vertrag?
Nach § 6 der bpt-Satzung entscheidet darüber das Präsidium im Einvernehmen mit dem Bundesvorstand.
Der Vorstand hat in seiner Herbstsitzung 2020 erstmalig über einen Vertragsentwurf mit AniCura beraten, zahlreiche Änderungswünsche eingebracht und dem Vertrag nach intensiver Diskussion mit großer Mehrheit zugestimmt. Sämtliche vorgetragenen Änderungswünsche wurden in Folge mit AniCura besprochen und in den Vertragsentwurf eingearbeitet. Präsident und Geschäftsführung haben den Bundesvorstand über dieses Verhandlungsergebnis in der Frühjahrssitzung im April 2021 unterrichtet. Obwohl für den Abschluss von Korporativ-Verträgen eine Befassung der Delegiertenversammlung nicht vorgesehen ist, haben Präsidium und Vorstand wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas vereinbart, diese final dem ranghöchsten Organ des Verbandes, der Delegiertenversammlung 2021 im Herbst (Termin steht noch nicht fest), vorzulegen. Eine Information der Öffentlichkeit über Vertrag und Inhalte war deshalb erst für/nach der Delegiertenversammlung 2021 geplant.
Da jetzt aber Falschinformationen in Umlauf sind, informieren wir vorgezogen mit diesem Faktencheck.